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Berliner Neujahrslauf

Geschichte à la Berlin

Der Berliner Neujahrslauf: Eine weitere deutsch-deutsche Geschichte

Berliner Neujahrslauf 1990: DDR-Grenzpolizist gibt Teilnehmer:innen des Neujahrslaufes 1990 Passierstempel auf die Startnummer © picture alliance / ZB / Manfred Uhlenhut


DDR-Grenzpolizist gibt Teilnehmer:innen des Neujahrslaufes 1990 Passierstempel auf die Startnummer

Auch der Berliner Neujahrslauf ist ein Paradebeispiel deutsch-deutscher Sporthistorie. Von der Entstehung im Jahr 1972 und der Entwicklung im Ostteil des geteilten Berlin bis zum Krimi vor dem ersten Gesamt-Berliner Neujahrslauf 1990 und der Weiterführung der Erfolgsgeschichte nach dem Fall der Mauer ist es eine Geschichte, die eben typisch Berlin ist.

Von der Gründung 1972 bis zum Fall der Berliner Mauer

1972 hatte die DDR-Sportreporter-Legende Heinz Florian Oertel die Idee, in Berlin zu einem Neujahrslauf aufzurufen. Im Olympiajahr sollten die Läufer:innen beim zwanglosen. Neujahrsjoggen auf der Olympiameile das Jahr begrüßen. Bereits die Premiere war ein voller Erfolg. Geschätzte 3.000 Teilnehmende fanden sich am Neujahrstag um 11 Uhr am heutigen Platz der Nationen (damals Lenin-Platz) ein. Oertel, der 2023 im Alter von 95 Jahren starb, erinnerte sich nach der Premiere: ”Wir waren gespannt, wie die Berliner reagieren würden. Natürlich verzichteten wir auf Zeitmessung, und mit einer Distanz von 1972 m überforderten wir keinen.”

Gemeinsam mit einem Lauf aus Sachsen dürfte die Berliner Ausgabe zudem der erste Neujahrslauf in Deutschland gewesen sein. In den folgenden Jahren fanden sich im Friedrichshain in der Nähe des sogenannten Mont Klamott - einem aus Trümmern aufgeschütteten Hügel - bis zu 10.000 Läufer:innen zum Berliner Neujahrslauf pro Jahr ein (organisiert zusammen mit dem DTSB). Aus dem Jahr 1985 datierte die Rekordzahl von etwa 9.500 Teilnehmenden. Traditionell erhielten die Läufer:innen beim Lauf eine grüne “Teilnehmerschleife” im Ziel.

Oertel erlangte über die DDR hinaus eine größere Bekanntheit. Als Waldemar Cierpinski 1980 bei den Olympischen Spielen in Moskau zum zweiten Mal hintereinander Olympiasieger im Marathon wurde, rief Oertel in der TV-Übertragung des DDR-Fernsehens: “Männer, Väter - habt Mut: Nennt eure neugeborenen Söhne heute Waldemar”.

53 Tage vom Fall der Mauer bis zum 1. Gesamt-Berliner Neujahrslauf

Als am 9. November 1989 in Berlin die Mauer fiel, änderte sich auf einen Schlag auch viel im gesellschaftlichen Sportleben. Die Idee für einen Gesamt-Berliner Neujahrslauf im Jahr 1990 kam einen Tag nach dem Mauerfall vom englischen Times-Journalisten Michael Coleman. Dieser rief am 10. November 1989 den damaligen Renn-Direktor des BERLIN-MARATHON, Horst Milde, an und schlug die Idee vor, am Neujahrstag 1990 vom Olympiastadion durch das Brandenburger Tor bis zum Roten Rathaus zu laufen. In der frühen Phase der Nachwende-Zeit trafen sich dann verschiedene Verantwortliche unter anderem vom DTSB aus Ost- und vom Sport-Club Charlottenburg aus West-Berlin, um über die technischen und organisatorischen Einzelheiten eines Gesamt-Berliner Neujahrslaufs zu sprechen.

Gemeinsam wurden etliche Hürden aus dem Weg geräumt, wie zum Beispiel die ursprüngliche Forderung des Ost-Berliner Volkspolizeipräsidiums, nach einer Pass-Stempel-Pflicht für ausländische Teilnehmende beim Überlaufen des alliierten “Checkpoint Charlie”. Am Ende und viele Verhandlungsgespräche später, war es ein Paukenschlag, gut 50 Tage nach dem Fall der Mauer den 1. Gesamt-Berliner Neujahrslauf 1990 zu verkünden. Start und Ziel befanden sich auf der Straße des 17. Juni. Die vom englischen Journalisten Coleman favorisierte Strecke wurde nicht ganz in die Tat umgesetzt. Diese war für die kurze Planungszeit etwas zu lang.

Das “Doppelte Läufchen” am Neujahrstag 1990

Am 1.1.1990 wurde zunächst die 19. Auflage des Berliner Neujahrslauf im Friedrichshain um 11 Uhr gestartet. Gut 3.000 Teilnehmende gingen hier an den Start. Um 14:00 Uhr versammelten sich dann an die 25.000 Läufer:innen aus aller Welt, um beim 1. Gesamt-Berliner Neujahrslauf zu starten. Der Regierende Bürgermeister Walter Momper (West-Berlin) und Oberbürgermeister Erhard Krack (Ost-Berlin) gaben den Startschuss für das sporthistorische Laufereignis. Der Lauf durch die Mauer und zwischen den Säulen des Brandenburger Tor hindurch zum Roten Rathaus und zurück, war entsprechend ein emotionales und gefühlsträchtiges Erlebnis.

Auf dem Rückweg wurde aus der Pass-Stempel-Pflicht eine “Stempel-Lust”. Viele Teilnehmende holten sich von den DDR Grenzpolizisten einen Stempel auf ihrer Startnummer ab. Im Ziel erhielten die Läufer:innen Erinnerungsurkunden. Die Organisatoren verzichteten auf einen Teilnahmebeitrag. Stattdessen wurden Spenden für das Kinderhilfswerk UNICEF gesammelt. Die Sammlung erbrachte 12.696,37 D-Mark, die die Berliner Bank auf 13.000 D-Mark aufrundete. In den Sammelboxen und -Dosen befanden sich neben D-Mark auch Ostmark, Rubel und Dollar - auch ein Zeichen der Internationalität.

Nach der Wende von Jubiläum zu Jubiläum

Teilnehmende beim letzten Berliner Neujahrslauf mit Schnee im Jahr 2010 © SCC EVENTS / camera4


Teilnehmende beim letzten Berliner Neujahrslauf mit Schnee im Jahr 2010

Heinz Florian Oertel und Horst Milde einigten sich später, dass in der Folge der Berliner Neujahrslauf ausschließlich in der Mitte Berlins vor dem Brandenburger Tor stattfindet. Sportgeschichtlich sollten beide zusammengeführt werden. Viele Jahre war Oertel nach 1990 stets am 1. Januar am Mikrofon als Sprecher des Laufs zu hören.
Die Startschützen aus Politik und Gesellschaft gaben sich beim Berliner Neujahrslauf die Ehre, nachdem 1990 der Regierende und der Oberbürgermeister von West- und Ost-Berlin aktiv waren, übernahm der Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, Joachim Zeller, lange Zeit das Amt.

Unter den prominenten Startschützen waren auch bei den Jubiläumsveranstaltungen Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und der Korrespondent des ARD -Hauptstadtstudios Werner Sonne sowie Botschafter der Charity-Organisationen von UNICEF und der Björn Schulz Stiftung.

Kein Wetter konnte die Teilnehmenden beim Berliner Neujahrslauf stoppen. Große Kälte oder Schnee waren keine Hindernisse beim Lauf für die gute Sache. Den letzten nennenswerten Schnee gab es im Jahr 2010 bei der 39. Auflage des Laufklassikers. Seit einigen Jahren kennt man die neue, vier Kilometer lange Strecke des Berliner Neujahrslaufs bestens: Vom Brandenburger Tor zum Berliner Dom und zurück (Streckenplan als PDF). 
Für das 50. Jubiläum des Berliner Neujahrslaufs brauchte es trotzdem drei Anläufe. Aufgrund der Corona-Pandemie mussten die Organisatoren von SCC EVENTS die Veranstaltungen in den Jahren 2021 und 2022 leider absagen. So konnte erst im Jahr 2023 die 50. Auflage gefeiert werden. Leider ohne den Ideengeber Heinz Florian Oertel, der aus gesundheitlichen Gründen nicht dabei sein konnte.

Prominenz beim Berliner Neujahrslauf für die gute Sache

Unter die 4.000 bis 5.000 Läufer:innen pro Jahr mischten sich immer wieder - teils unentdeckt - prominente Teilnehmende. Der Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte ließ es sich meist nicht nehmen nach dem Startschuss mit auf die Strecke zu gehen, ebenso wie Werner Sonne (Korrespondent des ARD-Hauptstadtstudios). 2001 wurde der Außenminister Joschka Fischer im Feld der Laufenden beim Berliner Neujahrslauf gesichtet. Der laufbegeisterte Oscar-Gewinner Volker Schlöndorff startete 2015 beim Lauf zum Jahresbeginn. Beim 50. Berliner Neujahrslauf war die Radsportlegende und mehrfacher Tour de France Teilnehmer Jens Voigt ebenfalls am ersten Tag des Jahres sportlich aktiv. Ein Dauergast am Neujahrstag der letzten Jahre ist der Politiker und Präsident des Behinderten- und Rehabilitations-Sportverbandes Berlin Özcan Mutlu vom Bündnis 90/Die Grünen.

Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff beim Neujahrslauf 2015 © SCC EVENTS / camera4


Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff beim Neujahrslauf 2015

Alle Teilnehmenden eint das Laufen für die gute Sache. Die Charity-Tradition, die der SCC seit 1990 beim Berliner Neujahrslauf umsetzt, gilt heute auch noch. Der Verzicht auf Teilnahmebeiträge macht Wege für Spenden frei. Zunächst von 1990 bis 2012 für das Kinderhilfswerk UNICEF und seitdem für die Björn Schulz Stiftung. Auch die Läufer:innen, die am ersten Tag des Jahres nicht vor Ort beim Berliner Neujahrslauf sein können, haben inzwischen die Gelegenheit, sich beim Spenden zu beteiligen. Mit der Online-Spendenaktion ist es ganz einfach.

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