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Leichtathletik-WM-Aktuell: Kamathi macht Kenia Stolz
Zum ersten Mal seit zehn Jahren gewinnt ein Kenianer Gold über 10.000 m und schlägt dabei auch noch Äthiopiens Haile Gebrselassie im Spurt
09.08.2001
Der neueste kenianische Läufer-Held heißt Charles Kamathi. Der 23-Jährige ließ seine Landsleute am Mittwoch Abend mit einem historischen Sieg jubeln, der in Kenia für Furore sorgen wird. Zehn Jahre ist es her, da gewann ein Kenianer zum letzten Mal ein ganz großes 10.000-m-Rennen. Damals, 1991 in Tokio, wurde Moses Tanui Weltmeister. Seitdem hatte Kenia über die prestigeträchtige Langstrecke weder bei einer WM noch bei Olympia gewonnen. Und seit der WM in Stuttgart 1993 hieß der Sieger bei diesen wichtigsten Meisterschaften immer Haile Gebrselassie. Viermal Weltmeister und zweimal Olympiasieger war der Äthiopier geworden.Im vergangenen Jahr setzte sich Gebrselassie bei den Olympischen Spielen von Sydney nur hauchdünn gegen Kenias Ausnahmeläufer Paul Tergat durch. Tergat wechselte inzwischen jedoch zum Marathon. Und damit war der vermeintlich stärkste Kenianer bei der WM eigentlich aus dem Rennen. Doch nun kam plötzlich Charles Kamathi und schaffte das, was Paul Tergat jahrelang nie gelang: Ein Sieg gegen den Weltrekordler Haile Gebrselassie. Und das auch noch im Spurt, in dem der Äthiopier als so gut wie unschlagbar galt. "Ich weiß nicht, was auf den letzten 100 Metern passierte", sagte Haile Gebrselassie, nachdem er in Edmonton als Dritter in 27:54,41 Minuten ins Ziel gelaufen war. 150 Meter vorher war Charles Kamathi nicht an ihm vorbeigerannt, sondern vorbeigeflogen. In 27:53,25 Minuten sprintete er schließlich zum Gold, Zweiter wurde Assefa Mezgebu (Äthiopien/27:53,97). "Ich hatte nicht erwartet, dieses Rennen zu gewinnen und Haile zu schlagen. Ich wollte unter die ersten Fünf, aber meine beiden Landsleute haben mir sehr geholfen. Wir waren während des gesamten Rennens die Tempomacher, was sich am Ende ausgezahlt hat", sagte Charles Kamathi, der vor zwei Jahren als Nobody überrascht hatte. Damals gewann der 21-Jährige in Brüssel die 10.000 m in der Jahresweltbestzeit von 26:51,49 Minuten. Es war damals sein erster Start in Europa.
"Ich war eigentlich in guter Form und bis zur letzten Runde auch zuversichtlich. Aber dann konnte ich nicht mehr zusetzen. Der Kenianer hat mich wirklich überrascht. Ich hatte nicht gedacht, dass so etwas passiert", erzählte Haile Gebrselassie, der allerdings einige Tage zuvor krank gewesen war und sogar Fieber hatte. "Aber zuletzt ging es mir besser, und ich hatte zuvor gut trainiert", erklärte Haile Gebrselassie, der in Edmonton sein erstes Rennen seit dem Olympiasieg von Sydney gelaufen war. Nach Olympia hatte er sich einer Achillessehnenoperation unterziehen müssen.
"Das war ein lustiges Rennen", sagte Haile Gebrselassie. "Es ging schnell, dann wieder langsam, wieder schnell und wieder langsam. Ich dachte, dass jede Art von Rennen für mich passen würde - aber anscheinend lag ich da falsch." Am Ende schmerzte dem Weltrekordler, der sich lange Zeit zurückgehalten hatte und mitten im Feld gelaufen war, deswegen auch noch seine Wade. "Aber das ist morgen wieder weg."
Anfangs war das Tempo sehr langsam. Erst nach 14:15,11 Minuten waren 5000 m gelaufen. Keiner wollte an der Spitze die Initiative übernehmen. Dann wurde es jedoch von Kilometer zu Kilometer schneller, wobei das Tempo innerhalb der einzelnen 1000-m-Abschnitte jedoch immer wieder wechselte. Bei 6000 m (17:02,04) zeigte sich zum ersten Mal Haile Gebrselassie ganz vorne. Kamathi hatte das Feld zuvor schon öfter angeführt und war auch danach aktiver. Auch für die zermürbenden Tempowechsel hatten in erster Linie die Kenianer gesorgt, die neben Kamathi auch noch Paul Kosgei und John Cheruiyot Korir im Rennen hatten. Da Gebrselassie als Weltmeister eine Wildcard hatte, waren die Äthiopier sogar zu viert. Es sah so aus, als ob sie kraftsparender als die Kenianer liefen, denn sie wechselten ihr Tempo nicht so drastisch wie Kamathi und Co. Überraschend stark waren zudem die beiden Spanier Fabián Roncero, der Sieger des BERLINER HALBMARATHON, und José Rios. Sie kamen auf die Ränge fünf und sechs. Auch Roncero hatte zwischenzeitlich an der Spitze für deutliche Tempowechsel gesorgt.
Nachdem der neunte Kilometer in unter 2:45 Minuten gelaufen worden war, folgten die letzten 1000 Meter in 2:36. Zuvor hatte sich die Spitzengruppe reduziert auf die drei Kenianer, drei Äthiopier (Gebrselassie, Mezgebu und dem späteren Vierten Yibeltal Admassu) sowie die zwei Spanier, die am Ende der Gruppe liefen. Doch keiner wollte zunächst die Initiative übernehmen. 550 Meter vor dem Ziel verschärfte Kamathi das Tempo, gefolgt von Gebrselassie und den anderen beiden Äthiopiern. Während die Spanier im Medaillenkampf keine Chance mehr hatten, entwickelte sich ein hoch spannendes Rennen, bei dem selbst Gebrselassie überrascht wurde. 500 Meter vor dem Ziel kam Paul Kkosgei nach vorne. Doch der sollte offenbar nur den Spurt anziehen, damit Kamathi später nochmals von hinten kommen konnte. 300 Meter vor dem Ziel gingen Gebrselassie innen und Mezgebu außen am Kenianer vorbei, der aber die Position zunächst hielt und sich immer wieder umschaute - offenbar wartete er auf Kamathi, mit dem die Äthiopier nicht mehr rechneten. Haile Gebrselassie zog den Spurt an, der jedoch nicht so stark war wie in den vergangenen Jahren. 150 Meter vor dem Ziel konnte Charles Kamathi außen vorbeisprinten. "Ich glaube nicht, dass das meine letzten 10.000 m waren", meinte Haile Gebrselassie, der einen Wechsel zum Marathon geplant hatte, "es ist nicht akzeptabel, als Verlierer die Distanz zu wechseln."
Vor diesem historischen 10.000-m-Finale hatten die Kenianer bereits zwei Medaillen gewonnen. In ihrer Paradedisziplin siegte über 3000 m Hindernis Reuben Kosgei in 8:15,16 Minuten vor dem Marokkaner Ali Ezzine (8:16,21) und Bernard Barmasai (Kenia/8:16,59). Der dritte Kenianer, Raymond Yator, war am letzten Wassergraben gestolpert und wurde Achter, einen Rang vor dem überzeugend laufenden Ralf Assmus (Erfurt), der in 8:21,73 Minuten eine persönliche Bestleistung aufstellte. "Wir Kenianer sind alle um die Goldmedaille gelaufen, deswegen gab es auch keine taktischen Absprachen. Ich wollte nicht, dass mich ein Landsmann schlägt", sagte Reuben Kosgei.
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